Wie befürchtet

Alle vier saßen bereits in der Eisdiele, als ich etwas später zur Tür hinein kam, Herr Gatte mit Kindern 1-3, und waren unterschiedlich weit durch ihre Eisportionen hindurchgefuttert. Kind1 war bereits fertig, während Kind2 feststellte, dass sie die falschen Sorten ausgewählt hatte und nur stochterte, Kind3 futterte noch mit Genuß.

Kind1 saß währenddessen stocksteif auf dem Stuhl, die Hände auf dem Sitz, und er grinste verlegen. Ich bemerkte schnell weshalb.

Neben uns am Tisch saß ein Klassenkamerad- oder sollen wir besser sagen ein ehemaliger Klassenkamerad- mit einem Freund, der uns nicht bekannt war. Beide unterhielten sich, und ich sah, dass Kind1 immer wieder in deren Richtung schaute. Man sah, dass er gerne etwas zu den beiden, oder wenigstens zu seinem Klassenkameraden, sagen würde, aber nicht wusste was oder wie, und das strengte ihn an. Plötzlich hörte er: Man sprach über eine bestimmte Eisportionsgröße namens Wundertüte. Prima, damit kannte er sich aus!

Er sprang von seinem Stuhl auf, stellte sich vor die Jungs. Die Arme hatte er links und rechts feste an den Körper gepresst, mit den Beinen trat er unruhig, der Oberkörper schaukelte seitwärts hin und her. Sein Blick ging über die Jungs hinweg, vielleicht zur Uhr an der Wand. Und dann begann er zu erzählen. Dass er schon mal eine Wundertüte hatte, dass sie echt groß sei, und dass das seine Lieblingseisgröße war. 3 Kugeln! Soviel darf er aber normalerweise gar nicht haben! Und Schoko, Sahne, Schokosoße UND Schokostreusel sind sein liebstes. Wundertüte, ja das ist eine tolle Sache! Er lächelte noch einmal in die ungefähre Richtung der Jungs, setzte sich wieder auf seinen Stuhl- also mit dem Rücken zu den Jungs- und krallte sich wieder am Sitz fest.

Ich merkte, dass ihn das Überwindung gekostet haben musste, aber hey, er hat es geschafft! Und sein Klassenkamerad kennt ihn ja, für ihn ist das nix neues.

Der andere Junge, der kannte Kind1 aber nicht.

Als Kind1 wieder saß, sah er nicht, was ich beobachten musste.

Der Junge beugte sich zu Kind1’s Klassenkameraden hinüber, flüsterte ihm etwas zu, und beide sahen in Richtung von Kind1. Der Junge flüsterte noch etwas, zeigte leicht auf Kind1, der Klassenkamerad verdrehte theatralisch die Augen, und beide lachten, den Blick immer noch auf Kind1 gewandt.

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Kind1 wird jetzt auf eine neue Schule kommen, und in seiner neuen Klasse kennt ihn noch niemand. Das kann gut sein, ein toller Neuanfang, aber das kann auch ziemlich in die Hose gehen. Wenn dort Kinder sind, die über das, was er sagt, und wie er es sagt, nur die Augen verdrehen und ihn auslachen, dann wird das nicht schön. Und auch, wenn alle wissen, dass er anders ist, und warum das so ist, wird es immer noch genug Deppen geben, die ihm das aufs Butterbrot schmieren werden.

Klar, die gibt es immer. Schön wäre es, wenn alle plötzlich immer lieb zueinander wären, logo. Aber weil das sowieso nicht passieren wird, habe ich ein wenig Bauchschmerzen beim Gedanken an den Schulwechsel. Tja, aber wat mut dat mut.

Und es ist vielleicht auch ein bisschen ein Segen, dass er es nicht unbedingt bemerkt, wenn man sich über ihn lustig macht?

Vielleicht wird es ja alles gar nicht so schlimm, und er beisst sich gut durch. Das wird sich alles zeigen.

Aber die Jungs in der Eisdiele haben mir wieder deutlich gemacht, dass es nicht einfach wird…

Wie befürchtet

3 Gedanken zu “Wie befürchtet

  1. Ja, soetwas muß ich auch tagein tagaus beobachten und es bereitet mir vielleicht größere Schmerzen als dem Kind zu sehen was da noch kommen könnte. Einfach aus meiner eigenen Vergangenheit heraus weiß ich ja was da kommen kann. Aber ich sag mir immer wieder, ich hab es auch geschafft und das sogar ohne jeglichen Support meiner Familie. Da wird es mein Kind wohl mit ganz tollem Support doch auch packen.

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    1. Und es war ja nicht nur ohne Support, sondern auch komplett ohne das Wissen was denn da nun anders ist. Es wird bestimmt nicht ganz easy für unsere Kinder, aber sie werden es schaffen. Wäre nur trotzdem schön, sie vor allem schlimmen beschützen zu können *gg* (nein, denn dann würden sie aus dem gelernten nicht gestärkt hervorgehen, ist mir schon klar. Aber trotzdem, manno 😉 )

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